Arabisch in Übersetzungsbüros und Agenturen

Unzufriedene Kunden, explodierende Kosten, verzweifelte Projektmanager – immer wieder erlebe ich, wie Übersetzungsprojekte mit arabischen Ausgangs- oder Zieltexten außer Kontrolle geraten. Wenn ich dann für einen “Rettungseinsatz” angefragt werde, geht es meistens nur noch um Schadensbegrenzung. Dabei ließen sich viele Probleme vermeiden, wenn bereits in der Phase der Projektplanung die Besonderheiten des Arabischen berücksichtigt würden. Die wichtigsten Punkte habe ich in diesem dreiteiligen Leitfaden zusammengefasst.

In diesem ersten Teil erläutere ich die Grundlagen: Textmenge bestimmen, arabisches Schriftbild und Layout sowie das Thema Dialekt(e) versus Hochsprache.

Textmenge bestimmen

Arabische Wörter werden wie im Deutschen durch Leerzeichen getrennt.

Wenn Sie eine Anfrage mit arabischem Ausgangstext erhalten, stellt sich in der Regel zuerst die Frage nach dem Textumfang. Nur so können Sie die Kapazitäten planen und das Übersetzerhonorar aushandeln. Bei editierbaren Texten wie Word-Dokumenten funktioniert die automatische Wortzählung mittlerweile problemlos. Beachten sollte man nur, dass in Grafiken die arabischen Beschriftungen oft in die Bildelemente integriert sind und daher nicht mitgezählt werden.

Der nach wie vor häufigere Fall ist aber, dass der arabische Ausgangstext nicht editierbar ist. Meist Qualität reicht für eine Texterkennung per OCR nicht aus. In diesem Fall müssen Sie die Textmenge selbst einschätzen. Dies gelingt am besten, indem Sie in mehreren Zeilen die Anzahl der Wörter zählen und anschließend die durchschnittliche Wortzahl pro Zeile mit der Anzahl der Zeilen einer Seite multiplizieren. Denn wie in der lateinischen Schrift, werden auch im Arabischen die Buchstaben zu Wörtern verbunden. Daher können Sie an den Leerzeichen die Wortgrenzen erkennen. Mehr zu den arabischen Buchstaben und Ziffern habe ich in diesem Blogartikel zusammengefasst.

Bei Urkunden für beglaubigte Übersetzungen aus dem Arabischen ist es oft das einfachste, die Textmenge anhand der Wortzahl einzelner Zeilen zu schätzen. Hier helfe ich Ihnen als Arabisch-Übersetzer gerne weiter.

Arabisches Schriftbild und Layout

Von rechts nach links: die Laufrichtung

Arabisch wird von rechts nach links geschrieben. Insbesondere bei aufwändigen Printprodukten ist es wichtig, dass der Grafiker oder die Grafikerin diese Laufrichtung in den Voreinstellungen des DTP-Programmes festlegt, da es ansonsten zu gravierenden Fehldarstellungen kommen kann: Nicht verbundene Schriftzeichen, verdrehte Buchstabenreihenfolge oder eine umgekehrte Wortreihenfolge in den Zeilen können einen arabischen Zieltext komplett unbrauchbar machen. In Textverarbeitungsprogrammen wie MS-Word können Sie die Textrichtung mittlerweile unkompliziert für jeden Absatz einstellen. Wichtig dabei ist: Es genügt nicht, den Text einfach am linken Rand auszurichten! Denn die korrekte Konfiguration der Textrichtung sorgt nicht nur für die richtige Anordnung der arabischen Wörter und die korrekte Laufrichtung. Sie passt gleichzeitig zahlreiche weitere Aspekte an. Auch sorgt sie dafür, dass Aufzählungszeichen auf der rechten Textseite erscheinen. Daneben integriert sie Zahlen und in lateinischen Buchstaben geschriebene Wörter (sog. “bidirektionaler Text”) korrekt in den arabischen Textfluss und plaziert die arabischen Satzzeichen an der richtigen Stelle.

Gespiegeltes Layout

Entsprechend der Laufrichtung von rechts nach links verläuft auch die Leserichtung für arabische Bücher und Broschüren umgekehrt zur Leserichtung von Publikationen in lateinischer Schrift. Die arabische Übersetzung einer deutschen Bedienungsanleitung muss folglich so aufgebaut sein, dass sie – aus deutscher Perspektive – “von hinten” aufgeschlagen und gelesen werden kann. Oft ist es sinnvoll, wenn der Grafiker auch die Position von Grafiken und Abbildungen in der arabischen Version spiegelt.

Kontrolle ist besser!

Grundsätzlich empfehle ich, dass der Arabisch-Übersetzer den fertig gesetzten arabischen Text noch einmal prüft (“Druckfahnenlektorat”). Dabei sollte er auch darauf achten, ob die gewählte Schriftart und die Schriftgröße gut lesbar sind. Denn oft benötigt man für arabische Texte eine um 2 Pt größere Schriftgröße als im deutschen Ausgangstext.

Die hier genannten Punkte gelten im großen und ganzen auch für Content Management Systeme und die Übersetzung von Websiten ins Arabische. Hierzu habe ich einen separaten Blogartikel geschrieben.

Welches Arabisch für welches Land?Hochsprache und Dialekt

Der arabische Sprachraum verfügt über eine große geographische Ausdehnung. Arabisch ist Amtssprache in zahlreichen Ländern  zwischen Marokko am Atlantik und Oman am Indischen Ozean. Obwohl die geschriebene Sprache – das Moderne Hocharabische – in all diesen Ländern die gleiche Sprache ist, kann es doch deutliche Unterschiede geben. Das gilt insbesondere für das verwendete Vokabular. Bei Übersetzungen ins Arabische kann es daher sinnvoll sein, sich Gedanken darüber zu machen, für welches Land oder welche Ziegruppe der arabische Text bestimmt ist. Beispielsweise richtet sich eine Informationsbroschüre für arabische Touristen oder Migranten in Deutschland an ein sehr breites arabisches Publikum. Entsprechend sollte der Übersetzer darauf achten, innerhalb des Hocharabischen möglichst allgemeine Formulierungen und ein für alle arabischen Muttersprachler verständliches Vokabular zu wählen. Wird dagegen ein Auslieferungsgesuch an Ägypten übersetzt, kann der Übersetzer sich an der in Ägypten gebräuchlichen Rechtsterminologie orientieren.

In diesem Zusammenhang ist auch ein Grundverständnis der Dialektproblematik im Arabischen sehr hilfreich. Diese stellt zwar für die schriftliche Übersetzung ein geringeres Problem dar als für den mündlich arbeitenden Dolmetscher. Trotzdem sollte die sogenannte Diglossie-Situation bei der Planungsphase einer arabischen Übersetzung unbedingt berücksichtigt werden. Machen Sie Ihren Kunden unbedingt darauf aufmerksam, dass schriftliches Arabisch fast immer Hocharabisch und damit auch eine Sprache der Gebildeten ist.

Daher ist eine reine Übersetzung ins Arabische nicht immer zielführend. Beispielsweise erreichte mich vor kurzem die Anfrage eines deutschen Arbeitgebers, der seinen arabischstämmigen Mitarbeitern Hinweisblätter zu Arbeitsschutz und Betriebssicherheit auf Arabisch anbieten wollte. Wenn die arabischen Mitarbeiter aber nie oder nur wenige Jahre in einem arabischen Land die Schulbank gedrückt haben, werden sie zwar einzelne Wörter lesen und verstehen. Mit einem detallierten hocharabischen Text können sie aber wenig anfangen. Die passende Lösung bestand in diesem Fall in einer mit Abbildungen und Symbolen anschaulich gemachten Überblickstafel mit arabischen Überschriften und Schlagworten.

Weiterlesen:

Bildquellen: pixabay, Daniel Falk