Wer ein Wörterbuch für einen arabischen Dialekt schreibt, ist nicht zu beneiden. Einzufangen und festzulegen, wo die Grenzen eines solchen Dialektes verlaufen ist ungefähr so, als wolle man einen Pudding an die Wand nageln. Das Gült auch für Syrisches Arabisch: Wo verlaufen die Grenzen zum Hocharabischen und zu anderen Dialekten? Wie schreibt man eine Sprache, die offiziell nie geschrieben wird? Welche Wörter werden für das Wörterbuch ausgewählt? Der Reise-Know-How-Verlag hat das Unmögliche versucht. Mit Erfolg?
Arabische Dialekte sind mündliche Umgangssprache. Daher gibt es keine systematische Rechtschreibung. Außerdem existieren große regionale Unterschiede und der Dialekt klingt unterschiedlich, je nachdem aus welcher sozialen Schicht der jeweilige Sprecher kommt.
Methodik? Fehlanzeige!
Leider fand ich im Buch selbst keinerlei Hinweise auf Autor oder Systematik. Daher ist anzunehmen, dass hier kein professioneller Lexikograph am Werk war. Vielmehr wurde offenbar eine vorgegebene Wortliste zur Übersetzung in Auftrag gegeben. Das muss nicht unbedingt schlecht sein, wenn das Ergebnis brauchbar ist. Allerdings preist der Verlag sein Werk als „das erste moderne deutsche Wörterbuch der arabischen Umgangssprache Syriens”. Da hätte ich dann schon etwas mehr erwartet.
10.000 ist zu viel versprochen
Ein weiterer Marketing-Trick ist schnell entlarvt. Das Wörterbuch enthalte über 10.000 Einträge, so heißt es auf dem Cover. Nun ja. Wenn man beide Sprachrichtungen zusammenzählt, ist das richtig. Aber da die meisten Einträge in beiden Sprachrichtungen aufgeführt sein sollten, sind es de facto nur halb so viele. „5.000 Stichwörter pro Sprachrichtung“ wäre ehrlicher gewesen.
Erster Eindruck: Übersichtlich und prägnant
Positiv aufgefallen ist mir die übersichtliche Darstellung der einzelnen Einträge. Jeder Eintrag enthält hilfreiche Hinweise zur Aussprache in beiden Sprachen, so dass auch arabische Muttersprachler das Wörterbuch nutzen können. Die farbliche Gestaltung des Layouts sorgt für eine intuitive und übersichtliche Nutzerführung. Auch die Schreibweise mit arabischen Buchstaben finde ich gelungen und nachvollziehbar. Andere Wörterbücher für arabische Dialekte behelfen sich mit oft mit einer lateinischen Umschrift. Ich finde das eher verwirrend und bin der Meinung: Wer die Sprache lernen will, sollte sich auch hinsetzen und die arabische Schrift verinnerlichen.
Die Wörterbucheinträge selbst sind kurz und auf das Notwendigste beschränkt. Dabei werden Bedeutungsvarianten nicht außer Acht gelassen. Viele typische Dialektwörter wie برة und جوا (draußen/drinnen), منيح (gut) oder كمان (auch) sind enthalten.
Der Teufel im Detail
Wie so oft zeigen sich erst beim genaueren Hinsehen Mängel und Probleme.
In einer Amazon-Rezension wird bemängelt, das Wörterbuch sei zu sehr am Hocharabischen orientiert und enthalte kaum Dialektwörter. Das ist so pauschal nicht richtig, da die Mehrheit der Wörter eindeutig aus dem Dialekt kommen. Hinzu kommt: Bei Dialekten gibt regionale Unterschiede z.B. zwischen der syrischen Hauptstadt Damaskus und verschiedenen Provinzen. Diese alle zu erfassen würde den Rahmen des Wörterbuchs sprengen.
Nichtsdestotrotz ist die Kritik stellenweise zutreffend. Und hier rächt sich, dass offenbar kein professioneller Lexikograph das Wörterbuch systematisch zusammengestellt hat. Dieser hätte zum einen die Methodik in einem Vorwort erläutert und die genannten Einschränkungen und zwangsläufig auftretenden Unvollständigkeiten transparent gemacht.
Zudem hätte er seine eigene Sprache besser reflektiert. Denn: Je gebildeter der Sprecher, desto näher ist seine Sprache am Hocharabischen. Und an der einen oder anderen Stelle habe ich auch ich mich gefragt, ob das angegebene syrische Wort in allen sozialen und Bildungsschichten so verwendet wird ober ob es dem Bildungshintergrund des Autors (bzw. Übersetzers) geschuldet ist.
Nur zwei Beispiele seien an dieser Stelle angeführt: Für „Mischung“ wurde „خليط“ angegeben. Im Dialekt weitaus gebräuchlicher wäre aber das Wort „خلطة“ gewesen; für „wollen“ wird nur das Wort „أراد“ verwendet, das auch im Hocharabischen bekannt ist. Der Verweis auf andere sehr gebräuchliche Formen (z.B. بدك، بدي) fehlt in beiden Sprachrichtungen komplett.
Abgesehen davon fällt die insgesamt veraltete Auswahl der Einträge auf. Zentrale Wörter des Internetzeitalters wie „WLAN“, „Smartphone“ oder „App“ fehlen komplett.
Fazit: Empfehlenswert mit Einschränkungen
Das Wörterbuch ist in dieser Form durchaus brauchbar, zumal es in der Kombination mit Deutsch (noch) kein besseres gibt. Es zeigen sich aber einige deutliche Mängel und es ist bedauerlich, dass jegliche Hinweise zu Autor und Systematik der Vorgehensweise fehlen.